Predigt 4. Sonntag im Jahreskreis B (Mk 1,21-28)

Jesus geht am Sabbat in die Synagoge und lehrt. Nicht aber wie die Schriftgelehrten – deren Job das ja eigentlich ist – sondern wir einer, der „göttliche Vollmacht“ hat (Mk 1,22). Und im selben Abschnitt des Evangeliums heißt es etwas später: „Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet.“ (Mk 1,27)

Beide Male ist von Vollmacht die Rede. Jesus als derjenige, der voller Macht ist: „pleni potentiary“, wie es im Englischen heißt. Eine Beschreibung für hochrangige internationale Diplomaten, die volle Entscheidungs-Befugnis ihrer Regierung haben.

Wir kennen den Begriff der Vollmacht heutzutage aus anderen Zusammenhängen: Wenn der Paketbote mich nicht erreicht und das Paket in einer Filiale hinterlegt, dann kann ich jemandem Vollmacht erteilen, es für mich abzuholen. Hat er diese Vollmacht nicht, bekommt er auch das Paket nicht.

Für den Fall, dass es mir eines Tages sehr schlecht geht, ich einen Unfall habe oder ganz plötzlich schwer krank werde, oder alt und vergesslich: Für solche Fälle kann ich eine Vorsorge-Vollmacht erteilen. Damit jemand anderes an meiner Stelle entscheiden kann. Oder wir erteilen eine Konto-Vollmacht, damit jemand unsere finanziellen Dinge regeln kann, falls wir nicht mehr in der Lage dazu sind.

Vollmacht = Autorität

Wer mit einer solchen Vollmacht ausgestattet ist, kann uns helfen, kann sehr nützlich sein – er kann aber auch großen Schaden anrichten. Bewusst oder auch nur aus Versehen. Darum sollten wir immer bedenken, wann und wem wir wofür eine Vollmacht ausstellen. Wer sie hat, der hat die Macht oder die Entscheidungs-Gewalt, wie es auch heißt – oder schlicht: die Autorität.

Wenn wir uns diese aktuelle Bedeutung des Wortes klar machen, können wir verstehen, was der Evangelist Markus hier – ganz zu Beginn seines Evangeliums – ausdrückt. Die Menschen erleben einen absoluten Neuanfang, eine gravierende Abkehr von allem, was bisher war. Und das in einem atemberaubenden Tempo. Wir sind ja noch im ersten Kapitel. Jesus ist gerade erst nach Galiläa gekommen und hat seine ersten Jünger um sich gesammelt. Die, die er zu Menschenfischern machen will. Jetzt geht er direkt einen Schritt weiter, indem er schon sein erstes Wunder tut. Etwas noch nie dagewesenes: „Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl“ (Mk 1,27). Eine völlig neue Ära bricht an. Noch nie hatte jemand so volle Macht und Autorität auf sich vereinigt. Und dabei kommt die göttliche Macht nicht irgendwie von oben durch Feuer und Fluten, sondern sie liegt in einem Menschen. Himmel und Erde sind verbunden in einem, der mitten unter ihnen ist, mitten in der Synagoge. Da, wo auch alle anderen sind.

Vollmacht und Auftrag

Dieser Begriff der „Vollmacht“ kommt viele weitere Male in der Bibel vor, allein im Markus-Evangelium fast ein Dutzend Mal. Unter anderem gibt Jesus diese Vollmacht an seine Jünger weiter. In Markus 6 heißt es: „Er sandte sie aus, jeweils zwei zusammen, und er gab ihnen Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben“ (Mk 6,7). Ebenso im Matthäus-Evangelium: „Er gab ihnen die Vollmacht […] alle Krankheiten und Leiden zu heilen“ (Mt 10,1).

Vollmacht kann man also teilen, erteilen. Aber – wie schon geschildert – sie ist Vertrauens-Sache. Wer unser Vertrauen missbraucht, kann uns mit der ihm erteilten Vollmacht schaden. Jesus vertraut den Jüngern. Obwohl er sicher auch ihre jeweiligen persönlichen Schwächen kennt. Er teilt diese Vollmacht mit ihnen. Und auch mit uns. Als Christen sind auch wir bevollmächtigt. Und wenn uns der Begriff „Vollmacht“ erst einmal erschreckt, können wir ihn übersetzen als „Auftrag“.

Wir Christen auf Erden haben Vollmacht und Auftrag, Gottes Willen und christliche Botschaft umzusetzen. Wir sind diejenigen, die heute das tun können, was Jesus getan hat: heilen, was verwundet ist. Denn Christus hat hier und heute keine Hände, nur unsere Hände. Im Markus-Evangelium hat Jesus gehandelt. Er hat versucht Menschen zur Umkehr zu bewegen, zu einem Leben in Freiheit, Vertrauen und Gerechtigkeit. Wir handeln heute an seiner Statt – in seinem Auftrag und mit seiner Vollmacht.

Schreibe einen Kommentar