Sei 16 Jahren lebe ich jetzt mit meiner Familie am Ennert, und die mich kennen wissen, dass ich hier vor allem als Kirchenmusiker in den drei Gemeinden tätig bin. Und in diesen zurückliegenden Jahren habe ich immer mal wieder in der Christmette an Heilig Abend um 16 Uhr Orgel gespielt. Damals waren die Kirchen an Heilig Abend proppenvoll. Manche Menschen kamen dann sehr früh und suchten sich einen Platz aus. Natürlich einen guten. Einen, von dem aus man auch etwas sehen kann. Die Orgelbank oben auf der Empore zum Beispiel ist ein prima Aussichtspunkt.
Aber das geht natürlich nicht, denn wenn da Besucher sitzen, war ja kein Platz mehr für mich an der Orgel. Also musste ich tatsächlich einmal Menschen, die es sich da zwischen meinen Noten schon richtig bequem gemacht haben, von diesem schönen Platz verscheuchen. „Mach dem da Platz“ heißt es im Evangelium. Das ist natürlich unangenehm so kurz vor dem Gottesdienst. Und die standen dann auch erst einmal was bedröppelt da. Wohin jetzt? Alles andere war ja schon voll.
Namensschilder in der Kirchenbank
Anderes Beispiel: Wir waren gerade in Oberbayern im Urlaub, in Mittenwald und in Garmisch-Partenkirchen. Da gibt es in einigen Kirchen in den Bänken Namensschilder. Hier sitzt die Schonmeiers Resi, dort der Kutscher Schorsch. Diese Namensschilder sind zum Teil schon über 200 Jahre alt. Da haben Menschen gegen eine kleine oder auch große Spende sich ihren Platz gesichert. Da kam ein Schild mit ihrem Namen hin, und an diesem Platz durften sie dann Sonntag für Sonntag sitzen. Da hat sich natürlich niemand anderes hingesetzt. Heute wäre das kein Problem, denn erstens sind die Kirchen nicht mehr so voll und zweitens leben diejenigen, deren Namen auf den Schildchen verewigt sind, ohnehin nicht mehr.
Es gibt noch andere Plätze in der Kirche, die reserviert sind. Da soll sich auch nicht jeder hinsetzen. Oben im Altarraum zum Beispiel da gibt es viele Sitze, die so genannten Sedilien. Die Sitze für die liturgischen Dienste, also Priester, Messdiener, in manchen Kirchen auch für Lektoren, Kantoren oder Kommunionhelfer.
Einer dieser Sitze in der Mitte, der ragt ein kleines bisschen raus, da ist die Rückenlehne nämlich ein bisschen höher. Das ist der so genannte Priestersitz oder auch der Vorsteher-Sitz. Derjenige oder diejenige, die der Liturgie vorsteht, darf dort Platz nehmen. Heute hier in der Messe ist es der Pfarrer Pena. Hätten wir eine Wort-Gottes-Feier gehalten, die immer jemand von uns aus dem Kreis der Gottesdienst-Leiter macht, dann könnten wir uns dorthin setzen. Das macht nicht jeder, muss man auch nicht, wäre aber möglich.
Und im Kölner Dom auf der großen Altarinsel links an der Säule ist auch so ein ganz besonderer Platz mit einer ganz hohen Rückenlehne. Das ist die so genannte KATHEDRA, der Sitz für den Bischof oder für den Kardinal, da soll sich auch nicht jeder draufsetzen.
Wir sehen also: Das, was im Evangelium geschildert wird – dass dort Menschen zu einer Feier zusammenkommen und einige sich erst mal die besten Plätze aussuchen, die mit der schönsten Aussicht oder direkt neben dem Gastgeber und die dann feststellen müssen, das geht gar nicht, und die dann peinlich berührt den Platz räumen müssen – diese Situation die gibt es auch in unserem Alltag und in der Kirche sowieso.
Darum die Mahnung von Jesus an die Gäste im Haus dieses Pharisäers: Sucht Euch nicht die besten Plätze aus, sonst kann es sein, dass der Gastgeber kommt und Dir sagt „mach diesem hier Platz“ und du musst einen der untersten Plätze einnehmen.
Suchen und fragen
Ich möchte dieses Gleichnis aber mal unter einem anderen Blickwinkel sehen. Nicht mit dem mahnenden Zeigefinger und mit der Drohung und mit dem Negativen „Tu das nicht, tu jenes nicht“. Ich möchte diesen Abschnitt aus dem Evangelium mit der Frage betrachten:
Wenn ich mich da nicht hinsetzen soll, wo ist denn dann mein Platz?
Welcher ist der richtige Platz?
Wo ist der Platz für mich in meinem Leben?
Wo ist mein Platz in der Kirche, in der Liturgie, in der Gemeinschaft, in unserer Gesellschaft?
Wo sehe ich mich? Wo sehen Sie sich / seht Ihr Euch?
In den letzten zwei, drei Jahren habe ich Jugendliche auf ihre Firmung vorbereitet. Wenn wir bei unseren Treffen das erste Mal in einer der Kirchen waren, habe ich die Jugendlichen gebeten, sie sollten sich einen Platz aussuchen: Wenn Ihr hier in der Kirche steht, wo ist Euer Platz, wo zieht es Euch hin?“
Eine ging zu den Opferkerzen. Sie sagte, dass Kerzen sie beruhigen. In dem ganzen Gewirr von Schule, Familie, Freundschaften, Beziehungen, Krisen in der Welt… ihr Anker waren die Kerzen.
Ein anderer ging direkt in den Altarraum und setzte sich auf den Ministranten-Sitz. Warum? Er erzählte dann, dass er früher Messdiener war. Dass er das auch gerne gemacht hat. Irgendwie hat er dann aber damit aufgehört und ist auch nicht mehr in die Kirche gegangen. Warum, weiß er nicht. Aber dieser Platz, sagte er, „ist mir vertraut. Das ist mein Platz, der tut mir gut.“
Wo ist mein Platz? Welcher Platz tut mir gut?
Auf welchem Platz kann ich anderen Gutes tun?
Und: Wie finde ich diesen Platz?
Das Evangelium liefert eine Antwort darauf. Da heißt es nämlich: Geh hin und nimm den untersten Platz ein, damit dein Gastgeber zu dir kommt und sagt, mein Freund rück weiter hinauf.
Der Gastgeber selbst kommt und sagt mir, DAS ist dein Platz. Geh Du dorthin.
Und der Gastgeber – auch das natürlich in diesem Gleichnis im Evangelium – ist Gott. Wir haben es im Eingangslied gesungen: „DU rufst uns Herr an deinem Tisch. DU lädst uns selber ein.“ DU bist der Gastgeber. DU bist derjenige, der mir zeigt durch sein Sein, durch das Wort Jesu und durch das Wirken des Heiligen Geistes, durch diese drei Personen in diesem einem Gott – du bist derjenige, der mir zeigt: DAS ist dein Platz.
Auf Gott hören, auf das eigene Herz hören
Das geht natürlich nur, wenn ich für den Gastgeber und für seine Ansprache offen bin. Ich muss hören und auf Gott hören, heißt auch auf das eigene Herz hören. Auf mein Inneres hören. Es gibt so viele Stimmen, die auf uns einreden, in den Medien, in der Gesellschaft, in der Politik, auch in der Kirche – gerade auch in der Kirche gibt es viele Stimmen. Viele auch widersprüchliche Stimmen.
Es gibt auch viele Stimmen, die uns sagen: Tut dies nicht, tut das nicht. Da ist es immer wieder wichtig, auf das Innere zu hören, auf das eigene Herz zu hören, auf Gott zu hören. Hören – um herauszufinden, wo mein Platz ist.