Unter professionellen Redenschreibern gilt der Grundsatz: Eine Rede muss zum Redner passen, zum Anlass und zum Publikum. Das mit dem Publikum ist bei einer Predigt naturgemäß etwas schwieriger, denn Religion, Kirchenbesuch und Liturgie sind ständigem Wandel unterworfen. Anders als bei einem festen Rede-Anlass mit geladenen Gästen gibt es in einem Gottesdienst eine Fülle verschiedener Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Alte und junge Leute, Familien, pubertierende Jugendliche, Kommunionkinder, Alleinstehende, Paare und so weiter. Geladen sind sie alle („Eingeladen zum Fest des Glaubens“), das ist ja eine Grundlage unseres christlichen Verständnisses. Dennoch darf die Ausrichtung auf ein wie auch immer geartetes Publikum nicht ausgeklammert werden. Eine Predigt, genauso wie ein Impuls, muss nach Möglichkeit alle ansprechen, die versammelt sind.
Eine Rede muss zum Redner passen, zum Anlass und zum Publikum.
Das ist eine Herausforderung, denn von so vielen verschiedenen Versammelten wird nicht dieselbe Sprache gesprochen. Nicht nur, was die eigentliche Sprache betrifft (also deutsch, englisch, italienisch etc.), aber vor allem auch nicht im übertragenen Sinne. Jugendliche und Senioren kommunizieren oft unterschiedlich. Eine möglicherweise ganz spannende, wissenschaftlich hochwertige Predigt wird ein akademisches Publikum gewiss ansprechen – Erstkommunionkinder werden sie aber wohl als langweilig empfinden, wenn sie die Worte hören, aber nicht verstehen.
Oder: Die einen suchen Trost und Aufmunterung in einer persönlich schwierigen Lage, andere wünschen sich zupackende Kritik oder Aufforderung zum Handeln für eine menschliche Kirche oder Bewahrung der Schöpfung. Wieder andere interessieren sich für den historischen Kontext der Lesung vom jeweiligen Sonntag. Was also tun? Was ist bei einer solchen Gemengelage eine gute Predigt? Die, die genau diese Vielfalt berücksichtigt. Die nicht von einem Muster-Publikum ausgeht, sondern die verschiedene Sichtweisen und Situationen erwähnt. Und die im Dialog mit der versammelten Gemeinde entsteht.
Papst Franziskus schreibt in EVANGELII GAUDIUM, die Predigt dürfe „keine Unterhaltungs-Show sein, sie entspricht nicht der Logik medialer Möglichkeiten, muss aber dem Gottestdienst Eifer und Sinn geben.“ In jedem Falle – so sagt auch er es – ist sie ein Dialog.